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  • Digitalisierung der Arbeit vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung
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1 Problemstellung

Die stärksten Triebkräfte für die Transformation der Arbeitswelt gehen von Informationstechnologien aus, deren Innovationen sich nicht nur zur Erzielung von Rationalisierungseffekten durch Automatisierung eignen, sondern vielmehr auch die Erschließung neuer Geschäftsmodelle ermöglichen [11]. Dabei forcieren IT-Zukunftsthemen wie Industrie 4.0, Internet der Dinge, Big Data und Cloud Computing in zunehmenden Maße die Digitalisierung von Unternehmensprozessen, Wertschöpfungsketten und Märkten. Aus arbeitsmarktorientierter Perspektive trägt diese Digitalisierung der Wirtschaft zum Entstehen neuer Berufsbilder und neuer Qualifikationsanforderungen bei.

Eine in der Literatur und der Unternehmenspraxis bislang allerdings vernachlässigte Fragestellung ist, inwiefern die für die Digitalisierung benötigten Berufsbilder und Kompetenzanforderungen auch dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen. So verspricht gerade die Digitalisierung von Unternehmensprozessen und Wertschöpfungsketten sich zukünftig als ein potenziell maßgebliches Instrumentarium zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu etablieren [9][1].

Der vorliegende Projektbericht geht daher der Fragestellung nach, welche Bedeutung die Konzepte der nachhaltigen Entwicklung und Digitalisierung derzeit am Arbeitsmarkt besitzen und welche Berufsbilder in diesem Kontext von Institutionen nachgefragt werden. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse einer explorativen Stellenanzeigenanalyse vorgestellt, die Vakanzen aus Jobportalen für den deutschen Mittelstand untersucht hat. Die Resultate wurden von einer Forschungsgruppe erarbeitet, die sich im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekts mit der Digitalisierung der mittelständischen Wirtschaft beschäftigt [5].

2 Empirische Basis und Methodik

Zur Beantwortung der Forschungsfrage ist eine explorative Stellenanzeigenanalyse [8][10] für Vakanzen aus Jobportalen für mittelständische Unternehmen durchgeführt worden. Zur Generierung einer Datenbasis sind vom 23.10.2016 bis zum 08.03.2017 Stellenanzeigen aus drei Jobportalen ausgelesen worden, die primär Vakanzen für mittelständische Unternehmen veröffentlichen. Dabei handelt es sich um die Jobportale Yourfirm, Mittelstandskarriere.de sowie Stellen-Markt.de. Auf diese Weise wurden 43.242 Stellenanzeigen gesammelt, die um 5.913 Duplikate bereinigt worden sind. Aus den resultierenden 37.329 Stellenanzeigen wurden schließlich 477 englischsprachige Elemente entfernt, sodass insgesamt ein Set von 36.852 deutschsprachigen Stellenanzeigen zur Analyse zur Verfügung stand (zur Methodik vgl. [3]).

Der Datenbestand wurde anschließend im Zuge einer Vorstudie auf relevante Stellenanzeigen für die beiden forschungsleitenden Konzepte der Digitalisierung und der nachhaltigen Entwicklung untersucht. Zu diesem Zweck wurden drei Suchanfragen formuliert (Tabelle 1), die drei Sets von Stellenanzeigen umfassen. Diese Suchanfragen beziehen sich auf die Stellenbezeichnung (jobtitle) und die Stellenbeschreibung (description).

Set

Konzept

Suchanfrage

Anzahl

Stellenanzeigen

Anteil

Stellenanzeigen

DI

Digitalisierung

jobtitle:*digita* OR description:*digita*

2.585

7,01 %

NA

Nachhaltige Entwicklung

jobtitle:*nachhal* OR description:*nachhal*

2.384

6,47 %

DINA

Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung

(jobtitle:*digita* OR description:*digita*) AND (jobtitle:*nachhal* OR description:*nachhal*)

217

0,59 %

Tabelle 1: Relevante Stellenanzeigensets


Wie diese Tabelle verdeutlicht, treten Begriffe zur Bestimmung der Konzepte Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung nur in 217 Stellenanzeigen gemeinsam auf, woraus ein Support von 0,59 % in Bezug auf die gesamte Datenbasis (n=36.852) resultiert. Darüber hinaus zeigt das Mengengerüst, dass 8,39 % der Stellenanzeigen zur Digitalisierung (n=2.585) auch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung referenzieren und somit eine höhere Nachhaltigkeitsneigung vorliegt als in der gesamten Datenbasis (6,47 %).

Das DINA-Set ist anschließend in Bezug auf zentrale Berufsbilder untersucht worden, die an der Schnittstelle von Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung nachgefragt werden. Darüber hinaus wurde auch die Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs in den Stellenanzeigen analysiert. Im Folgenden werden die generierten Ergebnisse im Überblick dargestellt.

3 Berufsbilder und Kompetenzen an der Schnittstelle von nachhaltiger Entwicklung und Digitalisierung

Die Ermittlung relevanter Berufsbilder ist durch Untersuchung der Stellenbezeichnungen vorgenommen worden. Durch Analyse der Stellenbezeichnungen konnten 171 der 217 DINA-Stellenanzeigen (79 %) mindestens einem der folgenden fünf Jobcluster zugeordnet werden:

  1. Entwickler (n=52)

  2. Manager (n=39)

  3. Berater (n=30)

  4. Leiter (n=22)

  5. Sonstige IT-Kernberufe (n=28)

Dabei bildet Jobcluster 5 eine Sammelkategorie, um unterschiedliche IT-Berufsbilder (IT-Kernberufe) zusammenzuführen. Die Kompetenzen und Merkmale dieser fünf Berufsbilder werden in den folgenden Abschnitten dokumentiert.

3.1 DINA-Jobcluster 1: Entwickler

Die folgende Abbildung zeigt das Profil für den DINA-Jobcluster 1 (Entwickler).

Bild 1: DINA Jobcluster 1 – Entwickler

Entwickler zeichnen sich dadurch aus, dass sie die unterschiedlichen Phasen des Software Engineering Prozesses begleiten (z. B. Konzeption, Programmierung, Anforderungsanalyse, Umsetzung) [2]. Hinsichtlich der notwendigen Kompetenzen sind insbesondere folgende Programmiersprachen bzw. Frameworks von Bedeutung:

  • C++ (44 %),

  • C (38 %),

  • Java (31 %),

  • C# (17 %),

  • .NET (15 %).

Die relativ große Bedeutung der „klassischen“ Programmiersprachen C/C++ ist damit zu begründen, dass die Entwicklung von Embedded Systems einen thematischen Schwerpunkt der untersuchten Stellenanzeigen bildet.

3.2 DINA-Jobcluster 2: Manager

Das Berufsbild des Managers wird in unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Kontexten gesucht (z. B. Projekt-, Produkt-, Marketing-, Content- und Sales-Manager). Folgende Abbildung zeigt das Profil dieses Jobclusters.

Bild 2: DINA Jobcluster 2 – Manager

Im Vordergrund dieses Profils stehen Marketing- und Vertriebsaktivitäten im Umfeld digitaler Wertschöpfungsketten. Dabei werden solche Tätigkeiten fokussiert, die im Kontext betrieblicher Projekte und Prozesse relevant sind (z. B. Steuerung, Optimierung, Analyse). Hervorzuheben ist, dass ein hohes Maß an Berufserfahrung erforderlich ist.

3.3 DINA-Jobcluster 3: Berater

Im Mittelpunkt des Berufsbilds des Beraters (Consultant) steht einerseits die digitale (Unternehmens-) Transformation bzw. die Begleitung von Transformationsprojekten, die ein erhebliches Maß an Berufserfahrung voraussetzen und bisweilen auch IT-Plattformen (SAP, SAP BW, SAP HANA) erfordern. Ein weiteres Einsatzgebiet von Beratern bildet andererseits das digitale Marketing (SEO Consultancy). Neben einschlägiger Berufserfahrung ist insbesondere ein hohes Maß an Kundenorientierung für dieses Jobcluster von Bedeutung.

Bild 3: DINA Jobcluster 3 – Berater

3.4 DINA-Jobcluster 4: Leiter

Leitungspositionen werden für unterschiedliche Funktionsbereiche der Unternehmung gesucht, allerdings wird in den vorliegenden Stellenanzeigen ein deutlicher Schwerpunkt im Marketing- bzw. Vertriebsbereich gelegt und die langfristige Optimierung der Unternehmensprozesse betont. Stellenanzeigen dieses Clusters zeichnen sich dadurch aus, dass neben Berufserfahrung insbesondere Führungserfahrungen notwendig sind.

Bild 4: DINA Jobcluster 4 – Leiter

3.5 DINA-Jobcluster 5: Sonstige IT-Kernberufe

Dieses Jobcluster führt solche IT-Kernberufe zusammen, die nicht zu den Entwicklern (s. Cluster 1) zu zählen sind, sondern komplementäre Tätigkeiten im Lebenszyklus des Software Engineering bzw. des Managements wahrnehmen. Hierzu gehören z. B. Tätigkeiten zur Systemadministration, zum Softwaretest und zum IT-Sicherheitsmanagement.

Bild 5: DINA Jobcluster 5 – Sonstige IT-Kernberufe

4 Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs

Aufbauend auf den identifizierten Jobclustern wurde der Fragestellung nachgegangen, in welchem Zusammenhang der Nachhaltigkeitsbegriff in den untersuchten Stellenanzeigen verwendet wird. Folgende Tabelle zeigt die Nominalphrasen zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung für den Mittelstand (Top 20, DINA-Set).

Nr.

Nominalphrase

Anzahl

1

nachhaltig ... Wachstum

11

2

nachhaltig ... Denken

5

3

nachhaltig ... Partnerschaft

5

4

nachhaltig ... Pflege

5

5

nachhaltig ... Wirtschaft

5

6

mit ... Nachhaltigkeit

4

7

nachhaltig ... Verbesserung

4

8

nachhaltig ... Wettbewerbsvorteil

4

9

nachhaltig ... Umweltpolitik

4

10

sozial ... Nachhaltigkeit

33

11

nachhaltig ... Ausbau

3

12

nachhaltig ... Zufriedenheit

3

13

von ... Nachhaltigkeit

3

14

nachhaltig ... Business Intelligence

2

15

nachhaltig ... Wertschöpfung

2

16

nachhaltig ... Ressource

2

17

nachhaltig ... Produktpolitik

2

18

nachhaltig ... Lösung

2

19

nachhaltig ... Kommunikation

2

20

nachhaltig ... Sichtbarkeit

2

Tabelle 2: Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs – Nominalphrasen (Top 20)


Die Ergebnisse zeigen, dass im Mittelstand eine ökonomische Konnotation des Nachhaltigkeitsbegriffs typisch ist. Dies wird durch die führende Nominalphrase „nachhaltiges Wachstum“ unterstrichen, aber auch durch „nachhaltige Wirtschaft“ (Nr. 5), „nachhaltigen Wettbewerbsvorteil“ (Nr. 8) und „nachhaltige Wertschöpfung“ (Nr. 15) belegt. Der Begriff „nachhaltige Partnerschaften“ (Nr. 3) bezieht sich auf die Kunden bzw. die Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens, während die „nachhaltige Pflege“ (Nr. 4) in Beziehung zum Kundenstamm eines Finanzdienstleisters steht, wodurch ebenfalls ein ökonomischer Kontext nahe gelegt wird.

5. Interpretation und Handlungsempfehlungen

Die Befunde haben transparent gemacht, dass die Konzepte der Digitalisierung und der nachhaltigen Entwicklung bei der Personalakquisition im Mittelstand nur eine relativ geringe Bedeutung besitzen und zudem nur einen geringen Komplementaritätsgrad aufweisen. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass für personelle Ressourcen an der Schnittstelle von Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung bestimmte Berufsbilder typisch sind und die nachhaltige Entwicklung überwiegend in einen ökonomischen Bedeutungszusammenhang gesehen wird. Unter der Prämisse eines strategieorientierten Human Resource Managements sind diese Phänomene damit zu erklären, dass das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in der mittelständischen Wirtschaft bislang nur eine geringe personal- bzw. unternehmensstrategische Bedeutung aufweist.

Da in Zukunft damit zu rechnen ist, dass die Digitalisierung weiter voranschreiten wird und eine systematische Transformation traditioneller Geschäftsmodelle in der mittelständischen Wirtschaft notwendig macht, liefern die identifizierten Berufsbilder (Jobcluster) interessante Anhaltspunkte über die Rollenträger des Transformationsmanagements [4]. Um auch ökologische, soziale und kulturelle Aspekte der nachhaltigen Entwicklung im Zuge der digitalen Transformation zu fördern, bietet sich die Gestaltung thematisch adäquater Qualifizierungsinstrumente und Werkzeuge (z. B. Green IT, Green Business Process Management) für die identifizierten Jobcluster an. Auf diese Weise soll langfristig sichergestellt werden, dass bei der Implementierung innovativer Informationstechnologien auch eine angemessene Berücksichtigung ökologischer Themen stattfindet. Das erscheint insbesondere dann relevant, wenn – wie bei der digitalen Transformation – vielfältige Freiheitsgrade bestehen, um ökologische Potenziale zu heben.

Ein weiteres Handlungsfeld wird durch die betrieblichen Strukturen aufgespannt, die mit Aufgaben zur Personalbeschaffung und -bereitstellung betraut sind (HR-Management). Hier sollte darauf hingewirkt werden, dass bei der Kommunikation mit potenziellen Bewerbern bzw. künftigen Mitarbeitern ökologische und soziokulturelle Aspekte der nachhaltigen Entwicklung verstärkt berücksichtigt werden. Daraus können einerseits positive Effekte für das Image eines Unternehmens auf dem unternehmensexternen Arbeitsmarkt hervorgehen (Employer Reputation, [7]). Andererseits kann auf dieser Basis zudem das Potenzial entstehen, um im Rahmen der Personalakquisition besonders motivierte und gesellschaftlich engagierte Talente zu attrahieren, die einen Schlüssel zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Unternehmung bilden [6]. Adressaten für die Maßnahmengestaltung bilden dabei nicht nur die Mitarbeiter und das Management des HR-Bereichs, sondern auch die Kontrollorgane und Eigentümer der Unternehmung.

6. Literatur

[1] Ahrend, K.-M.: Geschäftsmodell Nachhaltigkeit – Ökologische und soziale Innovationen als un-ternehmerische Chance. Springer, Berlin Heidelberg, 2016.

[2] Alpar, P., Alt, R., Bensberg, F., Grob, H. L., Weimann, P., Winter, R.: Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik - Strategische Planung, Entwicklung und Nutzung von Informationssystemen. 8. Aufl., Springer Vieweg, Wiesbaden 2016.

[3] Bensberg, F., Buscher, G. (2016): Job Mining als Analyseinstrument für das Human-Resource-Management: In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, doi:10.1365/s40702-016-0256-3. (last check 2017-05-23)

[4] Bensberg, F., Buscher, G. (2017): Agenten des Wandels – Berufsbilder und Kompetenzen für das Transformation Management. In: Keuper, F. et al.: Disruption and Transformation Management - Strategie, Prozesse und IT-Management.

[5] Bensberg, F., Griese, K.-M., Schmidt, A. (2017): Arbeit 4.0: Digitalisierung der Arbeit vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung am Beispiel des deutschen Mittelstands. In: Wissenschafts- und Industrieforum Intelligente Technische Systeme, Paderborn, 11.5.-12.5.2017.

[6] Colsmann, B.(2016): Nachhaltigkeitscontrolling - Strategien, Ziele, Umsetzung. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2016.

[7] Ferber, I. (2017): Employer Branding in Zeiten von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. In: Spieß, B., Fabisch, N. Springer (Hrsg): CSR und neue Arbeitswelten - Perspektivwechsel in Zeiten von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Industrie 4.0. Springer, Berlin Heidelberg, 2017.

[8] Harper, R. (2012): The Collection and Analysis of Job Advertisements: a Review of Research Methodology. In: Library and Information Research, 36, Vol. 112, pp. 29–54.

[9] Holtbrügge, D., Beckmann, M.: Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften. In: Burr, W.; Stephan, M. (Hrsg.): Technologie, Strategie und Organisation, Springer Fachmedien , Wiesbaden 2017, pp. 239-260. DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_13. (last check 2017-05-23)

[10] Sailer, M. (2009): Anforderungsprofile und akademischer Arbeitsmarkt: Die Stellenanzeigenanalyse als Methode der empirischen Bildungs- und Qualifikationsforschung. Waxmann, Müns-ter, 2009.

[11] Venkatraman, N.: IT-Enabled Business Transformation: From Automation to Business Scope Redefinition. Operations management: A Strategic Approach, 2005, pp. 145-163.

Danksagung

Die Autoren danken der Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die finanzielle Förderung des Projekts.

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