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Oldenbourg, München, 2013

ISBN: ebook 978-3-486-78134-2; print 978-3-486-73299-3

URL: http://www.degruyter.com/view/product/215486?rskey=gJR4xY&onlyResultQuery=beyer%20rathje (licenced content)

Einleitung

Andrea Beyer und Britta Rathje, die Herausgeberinnen, konzentrieren die Sammlung der Beiträge in ihrem Buch auf die Beschreibung praktischer Szenarien. Selbst die Einleitung, sonst gerne der Ort ausführlicher Darstellungen thematischer Metaebenen, ist hier sogleich ein kurzer, sachlicher Einstieg in die Zielsetzung des Buches und Darlegung seiner Strukturierung. Eines ist den Herausgeberinnen sehr wichtig: Mit ihren Überlegungen wollen sie Lernende und Lehrende gleichermaßen dabei unterstützen, in anregenden Unterrichtsformaten wieder Freude an ihrem Tun zu erlangen. So lautet denn auch ihr Kernsatz: "Ein wichtiger Schritt ist, dass die Lernenden ihre passive Rolle des Zuhörers verlassen und selbst aktiv am Veranstaltungsgeschehen teilnehmen." *

Der Aufbau des Bandes bietet eine schnelle Orientierung. Die vier übergeordneten Themenbereiche „Lehren mit neuen Medien“, „Aktivitätsorientierte Lehre“, „Problemorientierte Lehre“ und „Alternative Prüf- und Reflexionsformen“ geben eine gute Vorstrukturierung zur Hand. Die Beiträge wiederum sind ebenfalls gleichmässig gegliedert: Erklärung der Methode, Lernzieldarstellung, praktische Durchführung, Kritische Analyse und Literatur. Auf diese Weise sind die vorgestellten Methoden miteinander vergleichbar und das Inhaltsverzeichnis vermittelt den Eindruck eines praxisorientierten Nachschlagewerks.

Da im Fokus meiner eigenen Tätigkeit der Einsatz digitaler Medien in der Bildung steht, und hier besonders die webbasierten, schaue ich mir in der folgenden Rezension die Buchbeiträge zu den entsprechenden Themen genauer an. Die Mehrzahl der im Buch vorgestellten Methoden bezieht jedoch keine digitalen bzw. elektronischen Medien und Werkzeuge ein, sondern basiert im Wesentlichen auf den klassischen Mitteln der Lehre. Es werden jedoch, neben allgemein üblichen Methoden wie das Projekt oder die Fallstudie auch weniger bekannte vorgestellt, besonders im Abschnitt zu den alternativen Prüf- und Reflexionsformen.


Elektronische Abstimmungssysteme

Als Auftakt des Kapitels über den Einsatz elektronischer Medien in der Lehre liefert Florence De Boni einen Beitrag, der auch mit dem Thema Abstimmungssystem gänzlich Unvertrauten einen sehr guten Einstieg vermittelt. An mehreren Hochschulen werden elektronische Abstimmungssysteme seit einiger Zeit nachweislich erfolgreich v.a. in stark besuchten Vorlesungen eingesetzt.

Die technischen Möglichkeiten erklärt die Autorin verständlich, die vorgestellten Einsatzszenarien sind gut ausgewählt, um das Potential elektronischer Abstimmungssysteme sichtbar zu machen. Fein differenziert zeigt de Boni auch die Vorteile und besonders die Herausforderungen auf.

Blogs

Blogs in der Lehre werden als Thema in der Methodendiskussion immer wieder aufgegriffen. Die Autorinnen dieses Beitrags stellen jedoch mehrere Szenarien vor, für die sich Blogs gerade nicht eignen: Ein Lerntagebuch beispielsweise funktioniert nur im pädagogischen Sinn, wenn die Lernenden dieses Tagebuch nur für sich schreiben. Eine vorweggenommene Öffentlichkeit während des Reflexionsprozesses, z.B. durch Einsicht der Lehrperson oder sogar durch andere Lernende, führt zur Selbstzensur. **

Das vorgestellte Szenario wäre mit einem E-Portfolio besser umsetzbar. Gleiches gilt auch für die Präsentation von Arbeitsergebnissen, wie sie im Beitrag vorgestellt wird. Und für die vorgeschlagene Prüfungsvorbereitung eignen sich Wikis besser als Blogs, da das Sammeln von Fragen und möglichen Antworten sowie damit verbundenen Diskussionen eine dokumentarische Tätigkeit ist, keine publizistische. Problematisch ist ein Blog auch für das Szenario „Materialbereitstellung“: Hier muss sich die Lehrperson stets fragen, ob das Material so, wie es ist, öffentlich sein darf. Verstößt man damit gegen Vorschriften des Arbeitgebers, gegen Urheber- oder Nutzungsrechte? Für alle diese Szenarien gilt, dass man sie natürlich mit Blogs umsetzen kann und die entsprechenden Seiten dann jeweils mit einem Passwort schützt, so wie man auch mit einem Handrührgerät aus der Küche Beton für den Hausbau mischen kann.

Doch die Autorinnen schlagen auch sinnvolle Einsatzszenarien vor. Dazu gehören u.a. das Gruppenblog für Projektdokumentation und die eingehendere Auseinandersetzung mit Themen inklusive des Lesens und Kommentierens anderer Blogs.

Dem Beitrag über Blogs in der Lehre müsste als Alternative ein Artikel über den Unterrichtseinsatz von Wikis folgen. Leider ist das aber nicht der Fall.

Tablets

Wer sich derzeit aufmerksam an Hochschulen umschaut, wird bemerken, dass immer mehr Studierende den Laptop gegen ein Tablet tauschen. Tablets sind günstiger und leichter, und da sie technologisch näher an den inzwischen gewohnten Smartphones sind (viele Apps sind auf beidem nutzbar) ist auch der Medienbruch zwischen den Geräten geringer im Vergleich zum Laptop. Es ist also klar, dass Tablets inzwischen Teil der persönlichen Lernumgebung (PLE, Personal Learning Environment) sind und es stellt sich die Frage, was das für die Lehre bedeutet.

Die Autorinnen des Tabletbeitrags wenden sich dem Thema allerdings mit einer gewissen Verzagtheit zu. Zum einen setzen sie fälschlicherweise Tablets mit Tablet-PCs gleich. *** Zum anderen sind die von ihnen vorgeschlagenen Szenarien nur sehr bedingt geeignet. Annotationen in Skripten auf dem Tablet sind zwar eine gängige Anwendung bei Lernenden, die fast ausnahmslos proprietären Apps hierfür stellen aber eine Hürde dar, wenn es um die spätere Wiederverwendung der Notizen geht.

Die Idee, in einer Veranstaltung entwickelte Lösungen der Lernenden direkt vom Tablet über den Beamer zu projizieren, ist schön, scheitert aber an den üblichen technischen Ausstattungen. Selbst wenn der Beamer über eine W-LAN- oder Bluetooth-Schnittstelle verfügt, müssen Tablet und Beamer darüber erst miteinander kommunizieren. Und dies bei zahlreichen unterschiedlichen Betriebssystemen auf den Tablets. Ich möchte diejenige Lehrperson sehen, die sich damit während der Veranstaltung befassen mag. Die gleichen technischen Hürden zeigen sich bei der ebenfalls vorgeschlagenen Verbindung von Tablet und digitalem Whiteboard. Es wäre wichtig gewesen, dass sich die Autorinnen dieses Buchbeitrags diesen Fragen stellen, um eine realistische Machbarkeit abzubilden.

Podcasts

Podcasts sind ein schon verhältnismäßig altes webbasiertes Medium und es existieren recht viele interessante Unterrichtsprojekte, in denen Podcasts eingesetzt werden. Beispiele wären „PR On Air“ ( http://www.pr-on-air.de/ ), „Abenteuer Energiewende“ ( http://abenteuer-energiewende.de/ ) oder „Das Hörbuch“ ( http://lernblog.uni-bielefeld.de/hoerbuch/ ).

Der Autor des Beitrags, Jens Reinhardt, gibt wertvolle Ratschläge zum Aufnahme- und Bearbeitungsprozedere und weist differenziert die Vorteile und Herausforderungen der Produktion sowie Veröffentlichung eines Podcasts aus. Das vorgestellte Einsatzszenario ist aber weniger glücklich gewählt: Die Lehrperson „interviewt“ die Lernenden zu einem spezifischen Thema. Zwar ist hier leicht das pädagogische Ziel der Stoffvertiefung erkennbar, aber Methoden, bei denen Podcasts aktiv von den Lernenden konzipiert und produziert werden, sind sicherlich motivierender. Lernende interviewen Lehrende zum Thema, ihre Kommilitonen aus anderen Jahrgängen oder gänzlich fachfremde Personen – das wären spannende Ansätze. Schade ist auch, dass der Autor als Podcastportal nur iTunesU vorstellt, dabei gibt es auch von Markenhegemonie unabhängige Portale ohne Handelsumfeld, z.B. Podcampus.de ( http://podcampus.de ) und für Videocasts Yovisto ( http://www.yovisto.com ).

Fazit

Positiv für die Orientierung im Buch ist zum einen die Aufteilung in die Kapitel „Lehren mit neuen Medien“, „Aktivitätsorientierte Lehre“, „Problemorientierte Lehre“ und „Alternative Prüf- und Reflexionsformen“.

Mit dem Band liegt ein Vademecum vor, in dem es einmal nicht darum geht, die Lehre zu "revolutionieren"; vielmehr stellen die Autorinnen und Autoren bewährte und erprobte Methoden vor. Dazu gehören z.B. Planspiele, Fallstudien, Projekte und Enactment ebenso wie verschiedene Szenarien mit digitalen Medien. Die Sammlung vermag auch dazu anzuregen, etwas Neues in den Unterricht zu integrieren. Weniger bekannte Methoden dürften z.B. RealityPlanning, intergeneratives Lernen oder der Ersatz einer Klausur durch einen Buchbeitrag sein. Das Werk hebt sich auch insofern von vergleichbaren Publikationen ab, als das Thema Prüfung ebenfalls berücksichtigt und als Teil des Lehr- und Lernprozesses wahrgenommen wird.

Die durchgängige Strukturierung der einzelnen Beiträge macht die vorgestellten Methoden vergleichbar. Für ganz Eilige sind die wesentlichen Punkte der Gliederung am Ende jeden Beitrags zusammengefasst. Besonders die jeweilige "Kritische Analyse", in der die Vorteile und Herausforderungen der vorgestellten Methode diskutiert werden, ist m.E. eine Entscheidungshilfe.

Neben all diesen positiven Aspekten des Buches ist es schade, dass gerade die Beiträge des Kapitels zur „Lehre mit neuen Medien“ eher schwach ausfallen. Davon hebt sich allerdings der Beitrag von Florence De Boni zu elektronischen Abstimmungssystemen erfreulich ab. Eindeutig fehlen zwei bewährte Methoden bzw. Werkzeuge der elektronischen Medien: Das E-Portfolio und das Wiki.

Die Mehrheit der Autorinnen und Autoren arbeitet im wissenschaftlichen Umfeld an Universitäten und Fachhochschulen. Dennoch sind die beschriebenen Lehr- und Prüfungsszenarien keineswegs auf den wissenschaftlichen, und auch nicht auf den wirtschaftswissenschaftlichen Unterricht beschränkt, sondern durchaus auch in anderen Disziplinen und zum Teil an anderen Bildungsinstitutionen anwendbar.

Endnoten

* S. 3 des vorgestellten Buches

** vgl. Werner Stangl, Lerntagebücher als Werkzeug für selbstorganisiertes Lernen, http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNTECHNIK/Lerntagebuch.shtml (last check 2013-12-13)

*** Vgl. Beat Döbeli-Honegger, Tablets sind keine Tablet-PCs! (Reloaded ^3), http://wiki.doebe.li/Beat/TabletsSindKeineTabletPCs (last check 2013-12-13)

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